Ecuador

Im Zickzack auf die Teufelsnase
Text und Fotos: Heidrun Lange

 

 

              Sechs Uhr morgens. Die Touristen kaufen ihre boleto am Schalter. Eine lange Reihe bildet sich vor den braunen Waggons des Zuges. Alle, Touristen und Einheimische, wollen so schnell wie möglich die schmale Sprossenleiter hinaufsteigen, um oben auf der Plattform des Zuges einen Platz zu ergattern. Sie werfen ihre Rucksäcke über die Leiter und klettern hinterher. Es wird geschubst und gedrängelt, bis schließlich jeder einen Platz auf dem Wellblechdach findet. Ein Knall, ein Ruck, die Lok drückt die Waggons unsanft aus dem Bahnhof. Die ersten strohgedeckten Indianerhäuser, rundherum wucherndes Andengras, kommen in Sicht. Doch den Mann oben auf dem Zugwaggon interessiert etwas ganz anderes. Auf wackligen Füssen steht er und versucht mit der Kamera das Bild der grandiosesten Hochgebirgslandschaften Südamerikas einzufangen. So etwas sieht man nicht alle Tage, ruft er und sein Blick geht in Richtung der Vulkane und Berge, die dicht aneinander gereiht in den Himmel ragen. Der Cotopaxi ist einer davon. Morgens kleben noch Wolken am Kraterrand. Windig und kalt ist es auf über 5897 Metern. Als wäre es kurz vor Beginn des Theaterstückes, der Vorhang schiebt sich beiseite, der Himmel reißt auf. Es ist ein Panorama der Extraklasse. Westlich ragt der mit 6310 m höchste Berg Ecuadors, Chimborazo, ein erloschener Vulkan, in die Höhe. Die steinernen Monster faszinieren alle, die ins Andenland kommen, mehr als jedes geschriebene Schauspiel. Im Bauch des Cotopaxi rumort es. Der Berg atmet, sagten schon die Indios. Ständig brechen Steine ab, poltern lautstark herab. Irgendwann wird der Berg gewaltig husten und sein Innerstes kilometerweit in den Himmel schleudern. Vielleicht in zehn Jahren, vielleicht in tausend. Oder schon morgen. Regie führt einzig die Natur. Wie in so vielen unberührten Landstrichen Ecuadors.
Südamerika- Besucher wollen die eine Million Jahre alte Bergwelt sehen und fahren fünf Stunden mit der Transandischen Eisenbahn auf dem Dach eines Güterwagens zum Berg "Nariz de diabolo", der Teufelsnase, gespenstisch über einer Schlucht gelegen. 200 Leute haben oben auf der Plattform des Zuges Platz, doch 300 sind es mindestens, die sich diesen schmalen Grat zwischen Staunen und Schrecken nicht entgehen lassen möchten. Die Fahrt beginnt in Riobamba, einer 122 000 Einwohner zählenden Provinzstadt, am Fuße der Anden gelegen.

              Die Indigenas, sind bereits in den Morgenstunden geschäftig dabei, auf den kopftsteingepflasterten Straßen ihre Stände aufzubauen. Gebückt tragen die Frauen die schweren Pakete auf dem Rücken. Sie hängen Zimt und Anis auf, breiten Tüten mit Nelken und süßem Paprika auf dem Ladentisch aus. Der Duft, der von den Ständen herüberströmt, rüttelt die Sinne wach. Die ehemaligen Ureinwohner, die sich ihr Einkommen mit Landwirtschaft verdienen, machen noch heute 35 Prozent der Ecuadorianer aus. Die Frauen in bestickten Blusen, mit bunten Bändern dekorierten Hüten und goldfarbenen Perlenketten - erinnern an die Zeit, als sie noch Gold besaßen. Die Männer in weiten Hosen und grellfarbenen Ponchos übernehmen das Feilschen um die Preise. 

 

Das Heulen der Diesellok durchdringt das matte Morgengrau, die Bremsen zischen. Rhythmisch schaukeln die Lok und ihre drei Waggons über die ausgefahrenen Gleise. Am Bahnhof in Yaguachi gibt es Fisch. Ein Zeitungsjunge läuft durch den Zug. Der Halt dauert zwei Minuten, dann verlässt der Zug den Bahnsteig und durchquert Zuckerrohrplantagen. Es duftet nach Kochbananen mit Käse, die geschickt mit Körben beladene 14jährige Jungen, den Gästen anbieten, um somit zum Familieneinkommen beizutragen. Dazu gibt es süßen Kaffee. Einfache Holz- und Bambushäuser säumen die Trasse. Hin und wieder sehen wir einen Indigena, der sein Haus mit Stroh ausbessert.

Auf dieser Strecke entgleist der Zug, es werden Schienenteile ausgebessert. Mit einem Hammer wird der Haken für das Gleisprofil ins Gleisbett geschlagen. Das passiert oft, wird uns gesagt. Die Lok setzt sich quietschend wieder in Bewegung. Die Schaffner schwatzen mit dem Gepäckträger an der offenen Abteiltür, in deren Inneren nicht so Mutige Bananenchips knabbern. Inmitten einer Bananenplantage kommt der Bahnhof von Venecia Central. Dann ziehen wieder Gärten mit Kaffee- und Kakaopflanze und Maisfelder vorbei. Ein Zucken durchfährt den Zug, Bremsen quietschen. Der Zug fährt zurück, bis ein neuer Waggon angestoßen ist. Touristen steigen für die Bergetappe zu. Eine Bäuerin bietet gekochten Mais mit Ziegenfleischwürfeln an. Am gegerbten Gesicht, dass extremer Trockenheit und starkem Wind trotzen mußte, erkennt man die Vorbotin des Hochlandes. Gegen Mittag gibt die Diesellok richtig Gas. Hinter jeder Biegung wartet Neues. Quietschend und schnaufend frißt sich die Bahn durch die Anden, quert den begleitenden Fluß. Es geht an einer steilen Felswand vorbei, so steil, dass kein Blatt mehr wurzelt in 900 Meter Höhe, dann wieder am Fluß entlang, über Schluchten und Brücken. Die Natur weist den einzigen Weg hinauf. 

In Alausi, dem letzten Zusteigebahnhof zur Teufelszunge, liegt parallel zu den Gleisen die Hauptstraße. Inmitten von Plantagen kommt die Stadt. Die Waggons werden rangiert. Die Hochlandbäuerinnen mit roten Ponchos und dunkelbraunem Hut, manche tragen ein Kind in einem gebundenen Tuch auf dem Rücken, warten auf die Ankunft des Zuges. 

Der Kolonialwarenladen mit Milch, Hustensaft, hat sogar Gummistiefel im Angebot. Das Restaurant daneben aus vier Holzpfählen, die ein dünnes Wellblechdach stützen. An Ständen werden Papayas und Apfelsinen angeboten. Gerupfte Hühner hängen fliegenübersät an einer Leine. Das Thermometer zeigt um die Mittagszeit dreißig Grad. Angefangen hat alles vor über hundert Jahren. Schon 1874 dampft die erste Lokomotive aus Yaguachi, einer kleinen Stadt bei Guayaquil, hinaus. Vierzig Stunden brauchte der Zug für die 445 Kilometer von Guayquil nach Quito. Zuvor dauerte eine Maultierreise von der Küste bis in die Hauptstadt 14 Tage. Heute fährt die Bahn dreimal wöchentlich die Strecke zwischen Riobamba und Sibambe. Nach einer halben Stunde Pause in Alausi beginnt die Auffahrt zur Teufelsnase. Die Bremser beobachten die Räder. Dann ein Überhang und endlich weiten sich die Schluchten zu Wiesen und Bergsteppen. 1480 Meter Höhe, wir überqueren noch einmal den Fluß, ehe wir in Sibambe haltenZur Rechten der stillgelegte Abzweig nach Cuenca, über uns die Teufelsnase. Die Schlucht des Chanchan wird immer enger. Vom Zugdach aus schauen wir auf steile, mehrere hundert Meter hohe Felswände, es gibt Ausblicke auf die nackten Berge. Plötzlich taucht hinter einer Kurve die Teufelsnase "Nariz del Diablo" auf. Diese berühmte Felswand hat Gott geschaffen, die sie benetzenden Gleise Menschenhand, sagen Einheimische. Auf dem steilsten Stück rangiert der Zug vor und zurück. Nur im Zickzack geht es langsam voran. Die Bahntrassen liegen an der mehr als 500 Meter tiefen Schlucht fast übereinander in der Wand der Teufelsnase. Sie werden durch vier Spitzkehren miteinander verbunden, denn kein Zug der Welt könnte so enge Kurven nehmen.

Informationen:

 

Ecuador hat kein eigenes Fremdenverkehrsamt in Deutschland. Das Repräsentanzbüro in Quito gibt Hilfestellung bei Reservierungen, Kontakt zu touristischen Anbietern im Hochland, im ecuadorianischen Amazonasgebiet, an der Pazifikküste und auf Galapagos.

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