Zypern
Nordzypern, durch die Green Line und die Blauhelme der UNO vom Süden getrennt, ist fast noch ein Geheimtipp.
Text und Fotos: Katharina Büttel
Blühende Orangen im Winter, Maulbeeren, Mispeln und wilde Orchideen im Frühjahr, bizarre Bergketten vor ewig blauem Himmel. Grünes Meerwasser, Palmen und endlose goldene Strände – hier müssen Götter am Werk gewesen sein. Und so haben all die Invasoren ihnen Tempel gebaut, Bilder gemalt, Orte geweiht: Phönizier, Griechen, Perser, Römer, Franken, Venezianer, Osmanen. Und die Briten? Hinterließen den Linksverkehr.
So oder ähnlich lautete die Werbung aus dem griechischen Südzypern. Aber sie spiegelt die Realität und beschreibt eben auch das türkische Nordzypern. Das führt dennoch – glücklicherweise? – noch ein touristisches Schattendasein, obwohl es auch dort viel zu entdecken gibt: alle paar Kilometer trifft man auf die Hinterlassenschaften längst vergangener Reiche – als wäre das ganze Land ein Freilichtmuseum. Klöster, Kapellen, Königsgräber, griechische Latrinen, gotische Kirchen, Moscheen – und manchmal auch bizarre Mischungen aus allem: Minarette an und auf Kirchtürmen, Kapellen auf römischen Wällen oder eine Kirche auf der Ruine eines Aphrodite-Tempels.
Am besten schafft man das alles im Mietwagen, besonders, wenn man auch zu den Hotels und Ferienanlagen an Felsbuchten des „Pfannenstiels“ auf der Karpas-Halbinsel in Nordzyperns „wildem Osten“ reist. Massentourismus ist für den türkischen Teil noch ein Fremdwort. Weite Teile sind menschenleer, die Natur unberührt, der Artenreichtum überwältigend. In Weinfeldern, die in Macchia übergehen, stehen Oliven- und Citrusbäume, Kiefern und Riesenfenchel säumen die Straßen. Die Dörfer und die Menschen in ihrer Freundlichkeit scheinen aus der Zeit zu sein.
Das wird hoffentlich so bleiben – das Interesse an Nordzypern steigt. Neue Hotels werden gebaut, das Preis-Leistungsverhältnis passt, der Service ist gut, das Land sicher. Die Insel hat großes Potential für alternatives Reisen, der Ökotourismus soll weiterentwickelt werden. Dank EU-Förderungsmittel ist die Infrastruktur so gut wie im griechischen Süden, wo die Hochburgen Paphos und Agia Nápa um die Gunst der Touristen konkurrieren.
Die Rolle der Partymeile war eigentlich dem türkischen Varósha, nahe Famagusta, zugedacht. Nach der Unabhängigkeit zu einem Touristenzentrum ausgebaut, wurde die Hotelzeile am Strand im Bürgerkrieg 1964 und abermals zehn Jahre später zum Kampfplatz. 1974 waren türkische Truppen in Nordzypern gelandet, um den Anschluss Zyperns an Griechenland zu verhindern. Aus Varósha wurde eine Geisterstadt im Sperrgebiet.
In Famagusta erleben wir eine Universitätsstadt, die von Kreuzfahrern, Genuesen, Venezianern und Osmanen geprägt wurde. Sie war lange eine Drehscheibe zwischen Orient und Okzident. Im Mittelalter soll es hier 365 Kirchen gegeben haben. Einige sind noch als Ruinen eindrucksvoll. Aus der Kathedrale St. Nikolaus wurde eine Moschee – dem gotischen Bau wurde einfach ein Minarett „aufgeklebt“. Die Basarläden verwandeln sich immer mehr in Shoppingcenter. Modisch gekleidete Teenager, junge Soldaten sieht man in Gassen, auf Plätzen, in Parkanlagen oder im „Petek“, dem schönsten orientalischen Süßigkeitenladen.
Nackt im Nirgendwo steht das Barnabas-Kloster, Gründungsstätte der zyprisch-orthodoxen Kirche. Zyprioten ehren dort ihren Nationalheiligen Barnabas, einen Gefährten des Apostels Paulus.
Nur wenige Kilometer entfernt markiert ein Säulenwald das antike Salamis. Ein Trojaheld von der Insel Salamis bei Athen soll es gegründet haben; in griechisch-römischer Zeit lebten dort an die 100.000 Einwohner. Die Säulengänge des Gymnasions, die Thermen und das Theater sind teilweise erhalten; Mosaiken, Statuen und Grabbeigaben sind auch hier Antiquitätenjägern zum Opfer gefallen.
Im Westen der Insel türmt sich die Kammlinie des Fünffingergebirges, auf Türkisch Besparnak. Eine schmale, kurvenreiche Straße führt durch Nadelwälder hinauf zur spektakulären Ruine von St. Hilarion. Die Mauern der Kreuzritterfestung ziehen sich um den wolkenumhüllten Gipfel. Von den sonnenüberfluteten, nahen Küstendörfern und Stränden dagegen geht bei klarem Wetter der Blick bis Anatolien.
An diesen Gestaden liegt Zyperns schönste Stadt Girne, griechisch Kyrenia. Kreisrund der alte Hafen, vollgepackt mit Fischerbooten und Yachten, umgeben von Caféterrassen und Tavernen, imposant das Hafenkastell. Eine Kirche, weiß getüncht, und eine Moschee im Hintergrund vor dem Kyrenia-Gebirge – die perfekte Ansichtskarte. Man promeniert auf dem autofreien Kai und den Festungswällen. Autos sind zu mieten und Boote zu chartern; es gibt gute Hotels. Viele Gäste sind Festlandtürken, die für ein Wochenende die Luxus-Casinos bevölkern, und Briten, die von alten Zeiten her den Norden immer schon reizvoller finden.
700 Meter oberhalb von Kyrenia überrascht das kleine Bellapais mit dichtem Grün und leuchtenden Zitronen- und Orangenbäumen. In romantischer Nachbarschaft der von Palmen und Zypressen umgebenen Klosterruine entstand Lawrence Durrells Zypernbuch „Bittere Limonen“; auf dem Dorfplatz unter dem „Baum der Faulheit“ genoss er seinen Tee und Kaffee. Uns schmeckt unter dem schattigen Feigenbaum Katmer, die landestypische Nachspeise aus Mandelgebäck, Honig, Zucker- und Rosenwasser - dazu ein Brandy sour.
Scharfer Schnitt: rein in die spannendste Stadt Zyperns! In Nikosia, türkisch Lefkosa, kann man neun Jahrtausende an einem Tag erleben: von der Steinzeit zum Frühchristentum im Cyprus Museum; christliche Kunst im Byzantinischen Museum. Die Stadt hört täglich fünfmal den Muezzin und sonntags die Kirchenglocken. Der Orient lebt im türkischen Nordteil. Die Cafés sind rappelvoll, alte Männer spielen Távla, Obsthändler schieben ihre Karren um die Karawanserei. Zur gotischen Sophien-Kathedrale – heute Selimiye-Moschee – führt die Basarstraße mit schönen Herrschaftshäusern aus osmanischer und britischer Zeit. Dazwischen die trennende Green Line. Ein Holzhäuschen:„Hier verlassen sie den türkisch-zypriotischen Sektor!“ EU-Bürger zeigen den Pass und passieren. Der ganz normale Wahnsinn in der letzten geteilten Hauptstadt der Welt.
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Service
Anreise: Mit Turkish Airlines über das Drehkreuz Istanbul nach Ercan bei Nikosia. Der Istanbuler Flughafen Atatürk verfügt über ein ungewöhnlich großes Angebot von Shopping-Meilen, Cafés, Restaurants. Dem Business-Passagier steht die weltweit größte, zweistöckige CIP Lounge mit Gourmet-, Fitness-, Relax-Angeboten u.v.m. zur Verfügung.
Einreise: Für die Einreise nach Nordzypern ist ein noch sechs Monate gültiger Reisepass erforderlich. Die Grenzübergänge befinden sich in Derinya bei Famagusta, in Pila und Nikosia.
Reisezeit: Allgemein ganzjährig. Juni bis September sind die heißesten Monate. Der meiste Regen fällt von Dezember bis Februar.
Währung: In Nordzypern die türkische Lira. Es wird auch südzyprisches Geld (das zyprische Pfund) akzeptiert.
Unterkunft: Die meisten Hotels befinden sich rund um Kyrenia /Girne), z.B. das Merit Park Hotel. Eine Liste findet man im Internet unter www.northcyprus.net
Ein Extra: In Nordzypern gibt es 16 Universitäten. Seit 2015 gibt es die private Final International University in Kyrenia/Girne, an der Studenten aus z.Zt. 26 Ländern von Professoren aus mehreren Ländern unterrichtet werden; www.final.edu.tr
Reiseführer: MARCO POLO Reiseführer Zypern, Nord und Süd mit Insider-Tiopps und Erlebnistouren, 12,99 Euro
Auskunft: Fremdenverkehrszentrale Zypern, 60313 Frankfurt/M., Tel.: 069-251919; Fax: 250288, email: info@cto-fra.de; www.visitcyprus.com
Milde Temperaturen lassen Ausflüge zu einem Vergnügen werden
Text und Fotos: Heidrun Lange
Samstagabend in der Taverne "Edo Lemesos" in Lemesos. Die meisten Zyprioten kommen in Familie in das Lokal. Während die Musiker Gitarre spielen, wird an den Tischen ausgiebig gegessen: Méze. Auf kleinen Tellern wird eine Speise nach der anderen aufgetragen gegrillter Ziegenkäse, köstliche Dips, diverse Salate, Lammkoteletts, üppig bestückte Fleischspieße. Mindestens zwölf kleine Gänge gehören zu einer Méze. Jeder nimmt sich das, was ihm am besten schmeckt. Dazu wird reichlich Rotwein getrunken. Die Stimmung steigt und sobald die Musiker zum Tanz aufspielen., halten es die einheimischen Gäste auf ihren Stühlen nicht mehr aus und stürmen das Parkett. Mit der Familie einen fröhlichen Abend verbringen, ist auf Zypern seit jeher so geblieben. Und besonders im Frühling kann man diese einzigartigen Familienfeste in den Tavernen beobachten, eher als im Sommer, wenn die Touristen abends die Lokale in Lemesos, Paphos oder Agia Napa beherrschen.
Das Thermometer klettert im März tagsüber schon auf behagliche 20 Grad Celsius. Ideale Bedingungen für Ausflüge, für die es im Sommer manchem Urlauber zu heiß ist. Wanderführer Christos Charolambous chauffiert seine Gäste im Jeep zum Beispiel von Paphos aus durchs bergige Hinterland und über die Halbinsel Akamas. Am Straßenrand, in Gärten oder auf Feldern blühen die ersten Mandelbäume. Während die geologischen Besonderheiten nur von wenigen Gästen als eine Sensation empfunden werden, lösen blühende Anemonen, Narzissen und vor allem die ersten Orchideen im erwachenden Frühling wahre Begeisterungsstürme aus. Natürlich führt Christos seine Gäste auch dorthin, wo Salbei, Thymian, Majoran, wilder Knoblauch oder Wacholder wachsen. Vor allem die frischen Thymianblätter duften kräftig, wenn man sie zwischen den Fingern zerreibt. Den Reichtum der Insel an Kräutern und vor allem an Gemüse, Obst und Früchten widerspiegeln auch die Speisekarten.
Ein wahres Naturerlebnis erlebt jeder während der Jeeptour entlang des Naturparks. Der Abstecher zum Bad der Aphrodite
ist obligatorisch, schließlich hat die Göttin der Liebe, geboren aus dem Wein des Meeres, bei Pafos die Erde betreten. Hier, am nordöstlichen Ende des Akamas, soll sie im kristallklaren Wasser ihr
tägliches Bad genommen und sich dabei in den Jüngling Akamas verguckt haben. Am Strand von Lara sind im Sommer die Brutstätten der Meeres- Schildkrötenarten Chelonia Mydas und Caretta Caretta zu
beobachten. Die Fahrt führt weiter durch Wacholdergebüsch. Der Wacholder wurde von den ehemaligen britischen Besatzern bekanntlich wegen des daraus hergestellten Gins sehr geschätzt. Neben
Oleandersträuchern ist Mastix zu entdecken, aus dessen Körnern Klebstoff gewonnen wird. An die 1 750 Pflanzenarten gibt es auf der Insel, weit über 500 gedeihen auf der Akamas-Halbinsel. Viele
Exemplare, vom gemeinen Alpenveilchen bis zur Zistrose, kann man auf zwei von "Cyprus Tourism Organisation" angelegten Naturlehrpfaden (jeweils 7,5 Kilometer lang) bewundern, hier empfiehlt sich
festes Schuhwerk.
Christos, studierter Geologe, vermerkt zufrieden, dass die Zahl der naturbegeisterte Urlauber von Jahr zu Jahr leicht
ansteigt. Mit einigem Stolz zählt er Routen auf, die für Blumen- und Pflanzenliebhaber sowie Vogelkundler besonders interessant sein dürften. Ein eindrucksvolles Erlebnis ist die Wanderung durch die
bis zu 300 Meter tiefe und mehr als fünf Kilometer lange Agavas- Schlucht, die an der engsten Stelle kaum drei Meter breit ist. Christos warnt allerdings vor Einzeltouren ohne Guide. Es haben sich
schon Ortskundige verlaufen und sind durch Steinschlag zu Schaden gekommen. Wollen sich Wanderer allein auf den Weg machen, zeigt er ihnen vorab auf der Karte die Wege mit den schönsten Ausblicken
und abends holt er sie vom Ziel wieder ab. Natürlich geht es dann in die Taverne.
Auskunft:
Fremdenverkehrszentrale Zypern
An der Hauptwache 7, 60313 Frankfurt/M.
Tel.: 069 / 25 19 19, Fax: 069 / 25 02 88
E-Mail: cto_fra@t-online.de
Internet: www.visitcyprus.com
Das Buch zur Reise