Island

Viel Dampf auf dem Pulverfass

Man muss ansonsten schon auf die Südhalbkugel fahren, um eine solche ungezähmte Urwelt voller Gegensätze zu erleben: Island fasziniert mit Vulkanen und Geysiren, Wasserfällen und Gletschern, lautloser Einsamkeit und der quirligen Hauptstadt Reykjavik.

 

Text und Fotos: Katharina Büttel

 

  

 

 

 

          Es blubbert, zischt und brodelt in blaugrauen Schlammtöpfen. Warmer Dampf strömt aus kleinen Steinpyramiden und aus dem hellbraunen Boden. Die ohnehin schon heißgelaufenen Füße werden noch wärmer. Schwefelgestank liegt in der Luft – sind wir auf der Wanderung im Nordosten Islands in Teufels Küche geraten? Hier sieht es aus, als ob der Teufel sein Süppchen kocht.

          Bis zur Hölle kommt man so aber nicht, denn der Haupteingang ist der Krater der Hekla, der gefürchtetste und wegen seiner giftigen Gase hinterhältigste Vulkan Islands.

Und das „Tor zur Hölle", ein riesiger, mit smaragdgrünem Wasser gefüllter Explosionskrater, liegt ein paar Kilometer hinter uns. Hier auf dem Hverarönd im hochaktiven Krafla-Gebiet wird einem das Werden und Vergehen ganzer Landstriche durch den Vulkanismus drastisch bewusst. Der Boden unter Island bebt! Was wäre, wenn direkt neben oder unter dem Allradbus oder einem Zelt eine Feuerspalte aufrisse? So naturnah muss das Erlebnis Wandern dann doch nicht sein. Die Eyjafjallajökull-Wolke ist noch schaudernd in Erinnerung...

          Die Insel, knapp unter dem Polarkreis, hat an die 300 000 Einwohner, die zur Hälfte wegen guter Arbeitsmöglichkeiten in der Hauptstadt Reykjavik leben. Der Rest verteilt sich an der Küste der 103 000 Quadratkilometer großen Insel, das Landesinnere ist so gut wie menschenleer. Und diese Leere und Stille füllt sich wie von selbst mit Geistern und Elfen und anderen Sagengestalten. Bizarre Lavagestalten und moosüberzogene Felsen verwandeln sich in Trolle – die zu Stein wurden, weil ein Sonnenstrahl sie traf. Genau 1013 Jahre ist es her, dass Islands Althing auf seiner gesetzgebenden Versammlung das Christentum zur Landesreligion erhob, doch an Zauberwesen wie Elfen und Trolle glauben viele Isländer noch immer.

          In den langen, dunklen Wintern – er kann so still und friedlich sein - werden heute wie einst schaurig-schöne Geschichten und Sagen von Göttern und Helden erzählt. Die wilde Natur Islands liefert Schauplätze genug: Geistern gleich schweben Wasserschwaden über einer Stelle in der Geröllwüste. Der Dettifoss, Europas größter Wasserfall, schickt sie gen Himmel. Donnernd stürzen hier 1500 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, umgeben von wunderbaren Regenbögen, zu Tal. Wunderschön der „Goldwasserfall" Gullfoss mit seiner versetzten Doppelstufe und der „Götterfall" Godafoss, der kleine ‚Iguacu-Fall'. An den Skógafoss kann man sogar mit dem Auto auf wenige Meter heranfahren; feierlich ernst wirkt der Svartifoss: Seine Basaltsäulen erinnern an eine kunstvolle Orgel, nur rauschen hier statt Bach und Händel die Wasser herab.

          Island ist wirklich einmalig: Nirgendwo sonst in Europa findet man so durch und durch unwirkliche Landschaften. Einerseits weil die vertrauten Büsche und Bäume weithin fehlen, die viel dazu beitragen, eine Landschaft idyllisch zu machen, andererseits weil riesige Flächen von Lava bedeckt sind.

          Die Lava ist braun, rotbraun, schwarz, auch durch Moose grau oder gelbgrün, sie sieht aus wie gedrehte Stricke oder ist unpassierbare Blocklava. Berge mit bizarren Spitzen ragen auf, unten rot und oben schwarz oder ganz dunkelgrün. Schwarze Wüsten enden an weißen Gletschern. Dazu tief hängende Wolken oder durchsichtig klare Luft, Landschaften und Anblicke zum Niederknien, die bei jedem Fotografen Begeisterungsstürme auslösen.

          Auch wer sonst nichts weiß, hat gehört: Auf Island gibt's Geysire. Zwar ist der Große Geysir, der allen Springquellen der Welt den Namen gegeben hat, versiegt, dafür ist sein kleiner Bruder Strokkur umso aktiver. Gespannt stehen die Touristen um ein Loch, in dem es wallt und siedet und woraus es plötzlich bis zu 20 Meter hoch empor bricht, und das exakt alle acht bis zehn Minuten. Wer unvorsichtig ist, hat sich auch schon verbrüht – auch der „kleinere" Vulkanismus ist nicht ungefährlich.

          Womöglich noch interessanter ist Myvatn, das „Mückenwasser" im Nordosten. Niemand weiß, warum der See so heißt, außer im Sommer: Da verdunkeln an manchen Tagen Zuckmücken in unvorstellbarer Zahl den Himmel – zum Glück stechen die nicht! Die Mücken

locken viele Vogelarten an und die ihrerseits wieder viele Vogelbeobachter, die verzückt Seeschwalben, Sandregenpfeifern und besonderen Entenarten nachjagen. Geologisch ist die Gegend um den See das reinste Lehrbuch. Da findet man Pseudokrater und echte, Explosionskrater und Kraterspalten. Am Namafjall raucht, blubbert es in Form von tausend Grad heißen Fumarolen und stinkenden Solfataren. In Dimmubórgir, der „dunklen Stadt" an der Ostseite des glasklaren Sees, türmt sich das Lavafeld, das aussieht wie die Ruinen von Schlössern und Burgen.

          Das Wetter in Island kann blitzartig umschlagen, daher der Spruch: „Wart' eine halbe Stunde, dann ist es noch schlechter oder klar und sonnig". Gibt es Regen, ist es kalt und ungemütlich. „Kein Problem", wissen die Isländer und finden sozusagen „um die Ecke" ihre „Badewanne" - heißes Wasser, das gluckernd aus dem Fels sprudelt und in einen dampfenden See plätschert. Myvatn jedoch gehört eher zu den sonnigen Gegenden, dafür ist der Südosten umso feuchter.

          Aus der Ferne leuchtet der Vatnajökull, der größte Gletscher der Erde, rosig in der Abendsonne. Rosig, aber auch unheimlich. Man darf beim Betreten dieser Anderswelt nicht vergessen, das das Eis auf einer „Wunde" liegt – der vulkanischen Spalte zwischen europäischer und amerikanischer Erdscholle. Bis zu tausend Meter dick ist das Eis, riesige Gletscherströme fließen von ihm heran – der Skeidarárjökull ist am Ende 15 Kilometer breit. Sie kalben in einem See, in dem dann weiße und – wegen der vulkanischen Asche – schwarze Eisberge herumschwimmen. Eine Bootsfahrt zwischen den Eisriesen ist geradezu eine Offenbarung: diese Schönheit muss man gleich mit einem Glas Champagner begießen; natürlich gekühlt mit tausend Jahre altem Eis aus der Lagune.

          Ein heißes Pflaster - Naturgewalten liegen hier ebenso vor der Haustür - ist auch Reykjavik. In der nördlichsten Hauptstadt der Welt sind Besucher willkommen, am besten das ganze Jahr über. Nach dem Bankencrash braucht sie weiterhin harte Währung. So sieht man entlang des Laugavegur, der Einkaufs- und Partymeile, Tüten schleppende Pärchen aus aller Welt, selbst aus New York jetten sie für Schnäppchen hierher.

           Trotz Finanzkrise hat Reykjavik noch nichts vom Nimbus der Design- und Nightlife-Metropole des Nordens eingebüßt. Die Geschäfte sind gut gefüllt mit den Must-Haves des stilbewussten Großstädters – und die Feiergemeinde in den Cafés und Bars ist nach wie vor extrem gut gelaunt, obwohl ihre Kronen nicht mehr so locker sitzen. Große Kultur wird groß geschrieben, um die Bürger bei Laune zu halten. Mehrere Profi-Theaterensembles, Nationalballett, Oper, Symphonieorchester und eine blühende Filmindustrie sorgen für das verwöhnte Publikum. Für Nachtschwärmer ist die Stadt der Geheimtipp schlechthin. Seitdem es öffentlichen Bierausschank gibt, hat sich die Szene explosionsartig entwickelt. An Wochenende würzen viele Pubs ihr Flair mit Live-Musik, ab 23 Uhr gehen die Partys mit „Erdbeben-Bier" auf den Straßen erst richtig los - von „nordisch unterkühlt" kann hier nicht die Rede sein. Gegen einen möglichen Kater kann vor Abflug ein heißes Bad in der legendären Blauen Lagune nahe dem Flughafen durchaus helfen...

 

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Service

Aneise: Mit Icelandair (www.icelandair.de) von Frankfurt nach Kaflavik um die 180 Euro. Icelandair bietet auch Flug- und Hotelpakete günstig an.

Reisezeit: Ende Mai bis Ende August oder im Winter.

Klima im Winter: Wegen des Golfstroms bewegen sich die Temperaturen in Reykjavik um den Gefrierpunkt. Außerhalb der Stadt kann der Wind eisig sein, aber sensationell kann das grüne Nordlicht leuchten.

Unterkunft: Von einfachen Hotels (DZ ab 70 Euro ) bis zur gehobenen Kategorie (DZ ab 200 Euro) alles individuell buchbar.

Aktivitäten: Gletscherwandern, Superjeep-Fahren oder Eistauchen.

Pauschal: Günstiger als individuelles Reisen ist ein Komplettangebot von verschiedenen Veranstaltern; z.B. bietet Studiosus eine 8-Tage-Flugreise mit Busrundreise in 3-Sterne-Hotels im DZ/HP ab 1895 Euro/Person inkl. Bahnanreise nach Frankfurt 1. Klasse an. Inklusive sind Reiseleiter, Reiserücktrittsversicherung, Eintritts- und Trinkgelder, Reiseliteratur. Termine gibt es ab Ende Mai bis Ende August. www.studiosus.de

Weitere Infos: Visit Island,10787 Berlin, Rauchstr. 1; Tel. 030/50 50 42 00,

e-mail island@lydiacom.de; www.visiticeland.com

 

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