Baltikum

Estland, Lettland, Litauen

Drei auf einen Streich

Drei Länder – Litauen, Lettland, Estland - drei Metropolen, drei Kulturhauptstädte und vieles mehr in einem Urlaub

Text und Fotos: Christel Seiffert

 

 

 

 

Auftakt und wahrhaftig eine Augenweide ist Vilnius. Wie in einem Freilichtmuseum scheint hier alles Geschichte zu atmen. Mit einem Gewirr malerischer Gassen und Straßen, verwinkelten Innenhöfen, liebevoll restaurierten Bürger- und Kaufmannshäusern und prächtigen Kirchen bezaubert die Altstadt. Nicht von ungefähr wird Vilnius als eine der schönsten Barockstädte Europas Gepriesen. Am intensivsten spürt man ihr Herz am Kathedralenplatz. Da treffen sich Einheimische und Touristen, Liebespaare und Straßenmusikanten, Pflastermaler und Skateboarder. Mit ihrer Säulenhalle sieht die strahlend weiße klassizistische Kathedrale eher wie ein Tempel aus. Von hier sind es nur ein paar Schritte zum Burgberg mit dem Gediminas-Turm, dem Wahrzeichen der Stadt. Ein Aufstieg auf den 48 Meter hohen Berg lohnt sich. Weit geht der Blick über die in Grün eingebetteten Dächer der Altstadt und über das breite Flußband der Neris auf die Hochhäuser der Neustadt. Mehr als vierzig Kirchen stehen in der Altstadt auf engstem Raum beieinander. Die berühmteste und schönste ist die backsteinrote Annakirche. Man kann sich nicht sattsehen an ihren filigranen Türmchen, Erkern und Spitzbogenbändern. Selbst Napoleon war bei seinem Russlandfeldzug so fasziniert von ihr, dass er sie am liebsten nach Paris mitgenommen hätte. Ein eigener Stadtteil in der Altstadt ist die Universität. Beim Bummel durch das Campusgelände beeindruckten Fassaden in barocker Pracht, Innenhöfe und piazzaartige Freiflächen.

Unweit von Vilnius gelegen gehört Trakai zu den bedeutenden Sehenswürdigkeiten Litauens. Einst war das Städtchen - auf einer malerischen Halbinsel im Galve-See gelegen und umgeben von einer herrlichen Wald- und Seenlandschaft - die Hauptstadt des Landes. Heute ist es mit der der ältesten erhaltenen Wasserburg ein Schauplatz litauischer Geschichte. In den Sommermonaten locken Musikveranstaltungen, Theateraufführungen und ein Mittelalterfestival Heerscharen von Besuchern an. Durch eine weite, ebene Landschaft von sanfter Schönheit führt der Weg nordwärts zum Berg der Kreuze. Seit mehr als sechshundert Jahren ist er ein Symbol für Nationalstolz, Widerstand und Frömmigkeit: nur ein Hügelchen von höchstens zehn Metern Höhe, aber übersät mit einem Dschungel von zehntausenden großen und kleinen Kreuzen, behängt mit Bildern, Rosenkränzen und Botschaften.

Fast unbemerkt ist aus Litauen Lettland geworden. Und in Rundale bleibt Zeit, ein barockes Prachtschloß zu besichtigen. Die einstige Sommerresidenz für die kurischen Herzöge wird auch oft als „Versailles an der Ostsee“ bezeichnet. Dann ist Riga erreicht, das sich nicht nur als Kulturhauptstadt 2014 fein herausgeputzt hat. Die größte Stadt des Baltikums ist eine charmante Melange aus hanseatischer Backsteingotik und der schwelgerischen Pracht von mehr als achthundert Jugendstilhäusern. Alle Sehenswürdigkeiten der historischen Altstadt lassen sich bequem zu Fuß erkunden. Man schlendert durch die kopfsteingepflasterten Straßen und enggedrängten Gassen, genießt die Pracht der alten Wohn- und herrschaftlichen Gildehäuser. Ein Juwel und das wohl meistfotografierte Bauwerk ist das Schwarzhäupterhaus aus dem 14. Jahrhundert mit seiner fantastischen niederländischen Renaissancefassade. In backsteinrotem Glanz erstrahlt das palazzoartige Gebäude der imposanten Rigaer Börse. Unweit davon in einer schmalen Seitengasse sind drei kleine Häuser die Attraktion. Die sogenannten „Drei Brüder“ sind ein bezauberndes Ensemble von drei Wohnhäusern aus dem 15. bis 17. Jahrhundert. Das prächtigste ist der „mittlere“ Bruder, der 1646 erbaut wurde. Der größte und stets belebte Platz der Altstadt ist der Domplatz, an dem sich ein großer Biergarten und die beliebtesten Straßencafés befinden. An seinem Rand erhebt sich die Kathedrale, der größte Kirchenbau des Baltikums, die für ihre wertvolle Walker-Orgel berühmt ist. Hier ein Konzert zu hören oder an der Uferpromenade der Daugava den Sonnenuntergang zu erleben, könnte der krönende Abschluss eines erlebnisreichen Tages sein. Zu den restaurierten Kleinoden gehört auch das historische Speicherviertel, das in ein modernes Kulturzentrum mit Galerien, Restaurants und trendigen Cafés verwandelt wurde. Doch das Schönste, das Riga unverwechselbar macht, sind seine Boulevards, die von vierstöckigen Jugendstilbauten gesäumt sind. Der Faszination dieser mit Feen, Fratzen und Drachen überreich verzierten Fassaden kann sich niemand entziehen. Viele dieser herrlichen Art-Nouveau-Prunkbauten sind vorbildlich restauriert, allein zwanzig von ihnen hat der berühmte Architekt Michail Eisenstein gebaut. Nach soviel Sehenswertem im „Paris des Ostens“ bietet ein Ausflug in den wildromantischen Gauja-Nationalpark mit einer Kanu- oder Floßfahrt auf der Gauja eine willkommene Abwechslung.

Immer an der Rigaer Bucht entlang geht die Fahrt weiter nach Estland. Es ist die kleinste der drei Baltenrepubliken, doch ihre Küste ist 3.800 Kilometer lang und hat Tausendfünfhundert vorgelagerte Inseln. Saaremaa, die größte von ihnen und nur per Fähre oder Flugzeug erreichbar, ist ein Paradies für Naturliebhaber: unberührte Wälder, Wacholderheiden, schroffe Küsten, Sandstrände an kleinen Buchten, idyllische Abgeschiedenheit. Das beschauliche Kuressaare ist die einzige Stadt - ein kleines Kurbad mit schönen alten Holzhäusern und der mächtigen Bischofsburg aus dem 14. Jahrhundert. Einst waren die hölzernen Windmühlen das Wahrzeichen von Saaremaa, heute sind nur noch einige erhalten. Als Touristenattraktion gilt auch der große Kaali-Meteoritenkrater. Zurück auf dem Festland und weiter quer durchs Land. Ein Bummel durch Tartu, die zweitgrößte Stadt und geistiges Zentrum des Landes mit ihrer Universität, die zu den ältesten Nordeuropas zählt. Dann ist der Peipussee erreicht, durch den die Grenze zu Russland verläuft, so groß wie ein Meer. Endlose Kilometer fährt man an seinem Westufer entlang, vorbei an kleinen Dörfern und Buchten versteckt in Dünen. Hoch im Norden erstreckt sind Lahemaa, der älteste Nationalpark. Ein Naturkleinod mit dichten Wäldern, Seeen, Mooren und zahlreichen Buchten und Halbinseln, die wie Finger ins Meer ragen. In dieser einzigartigen Landschaft sind einige der alten deutschbaltigen Gutshäuser aufwendig restauriert worden. So auch das Vihula Manor, ein charmantes und luxoriöses Ensemble aus Herrenhaus und 26 Gebäuden in einem großen Landschaftspark mit gigantischen Bäumen, einem Seerosenteich mit kleinen Inseln und weißen Holzbrücken. Hier ist Zeit, die Seele baumeln zu lassen, spazieren zu gehen, mit dem Fahrrad oder in der Kutsche die Umgebung zu erkunden.

Eine knappe Autostunde weiter betört Tallin mit mittelalterlichem Charme und skandinavischem Flair. Nur eine kleine Metropole, aber reich an hanseatischer Geschichte und mit einer Altstadt, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde. Der Domberg mit dem Langen Hermann, dem größten erhaltenen Turm der alten Burg, mit der ehrwürdigen Domkirche aus dem 13. Jahrhundert und zahlreichen Stadtpalästen, ist Schauplatz estnischer Geschichte und Gegenwart. Denn im ehemaligen Schloss tagt heute das Parlament. Daneben lockt die Alexander-Newski-Kathedrale mit ihren markanten Zwiebeltürmen Gläubige und Schaulustige an. Unverzichtbar ist ein Gang zur Domberg-Aussichtsplattform. Von hier bietet sich ein atemberaubender Blick über die Dächer und Türme der Altstadt und die Skyline der Moderne bis zum Meer. Vom Domberg kann man auf der PIKK, einer der ältesten und längsten Straßen, bis zum Hafen laufen. Immer wieder fesseln dabei die prächtigen Fassaden der alten Kaufmanns- und Gildehäuser – eine schöner als die andere – den Blick. Damals wie heute ist der Rathausplatz mit dem prächtigen gotischen Rathaus und umgeben von zahlreichen Restaurants und Straßencafés der quirlige Mittelpunkt der Altstadt. Nur ein fünf-Minuten-Spaziergang von der Altstadt entfernt liegt das Geschäftsviertel mit Wolkenkratzern aus Glas und Stahl, Shopping-Centren, unzähligen Restaurants und Bars.

Info: Marco Polo Reisen GmbH, Riesstr. 25, 80992 München, Tel.: 0049 89 1500 190, Fax: 0049 89 1500 1919, contact@marco-polo-reisen.com, www.marco-polo-reisen.com. Die 12-Tage-Reise mit Terminen im Juli und August ist ab 1.399 € zu buchen.

 

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Alle guten Dinge sind Drei

Estland, Lettland und Litauen werden als Reiseziel immer anziehender

 

Text und Fotos. Christel Sperlich

 

  

 

 

        „Es ist, als hätten wir unsere Seele zurückgewonnen“, sagt Regina Karuzienne, die  deutschen Touristen ihre Heimat zeigt. Das Baltikum, das sind heute, nach der errungenen Unabhängigkeit, drei junge, sehr verschiedene, aber durch ihre Geschichte miteinander verbundene Republiken an der Ostsee. Die strategisch günstig gelegene Ostseeregion wurde jahrhundertelang von Deutschen, Dänen, Schweden, schließlich von den Russen okkupiert. 1918, gelang es den Balten erstmals, Freie Nationalstaaten auszurufen. Doch bereits 1939 gelangten die drei Länder erneut unter sowjetische Oberhoheit. Im Zweiten Weltkrieg besetzte die deutsche Wehrmacht das Baltikum. Nach dem Krieg eroberte die damalige Sowjetunion die baltischen Gebiete zurück. Wenn Regina Karuzienne beschreibt, wie viele Menschen damals unterdrückt und unliebsame Bürger ins Gefängnis oder in einen Gulag gesteckt wurden, spürt man, dass die Wunden der Sowjetmacht noch nicht geheilt sind.

         Ein kollektiver Ort der Trauer ist der Berg der Kreuze bei Siauliai in Litauen, eine Art Pilgerstätte und beliebtes touristisches Ausflugsziel. Bereits im 19. Jahrhundert begannen die Menschen gegen die Fremdherrschschaft und dem erlittenen  Leid Kreuze aufzustellen. Ungezählte Jesus-Kreuze, Rosenkränze oder Engel sind in Gedenken an die unzähligen Opfer in die Erde geschlagen.

 

Singende Revolution

„Unsere Freiheit haben wir uns ersungen“ sagt Regina Karuzienne stolz. Man spricht im Baltikum von der geschichtlich einmaligen gewaltfreien, der sogenannten "singenden Revolution“. 1989 bildeten mehr als zwei Millionen Menschen eine über 600 Kilometer lange Menschenkette, die von Tallinn über Riga bis nach Vilnius reichte und als "Baltischer Weg" in die Geschichte einging.

Mariona trägt ein Kopftuch und ein langes mit bunten Stickereien verziertes Kleid. Ihr Dekoltee schmückt eine Bernsteinkette. Die gehört zur Volkstracht. Mariona stammt aus Palanga und tingelt mit ihrer Gruppe durch das ganze Baltikum. „Das Singen ist unsere Identität, ist Lebensfreude und Gelegenheit, unsere Heimat, andere Orte und Menschen kennenzulernen.“ Sie sind Lehrerin, Busfahrer, Instrumentenbauer oder Musiklehrer, fiedeln vergnügt auf der Geige, spielen Bass, Ziehharmonika, Dudelsack. Höhepunkte ihrer Auftritte sind die nationalen Sängerfeste. Begonnen 1869 in Estland, wurden sie in allen Republiken nach dem unblutigen Sieg weitergeführt. Ihre Lieder handeln von Liebe, vom schweren Alltag und der Sehnsucht nach Freiheit.

 

          Nach der Unabhängigkeit öffneten sich alle drei Staaten rasch dem Westen und traten bereits 2004 der EU bei. „Zu schnell ging das“, meint Regina Karuzienne. „Gerade waren unsere Soldaten noch in der Sowjetarmee. Jetzt sind sie in der Nato. Da kommt die Seele nicht so schnell hinterher.“ Jetzt wachse der Druck auf das kleine Ländertrio. Viele Menschen fühlten sich erneut fremdbestimmt, jetzt durch den Euro. Viele der gut ausgebildeten und kreativen jungen Leute gingen in die Großstädte. Der turbokapitalistische Weg habe vor allem die Rentner zu Verlierern gemacht, die bei steigenden Preisen kaum überleben können. In den Dörfern des baltischen Hinterlandes kommen keine Fördergelder an. „Wer überleben will, sammelt Pilze, hält sich eine Kuh und bestellt seinen Acker“, sagt die Litauerin.

 

Blau wie der Himmel. Schwarz wie die Erde und weiß wie die Seele

Dagegen brilliert der kulturelle Reichtum der baltischen Metropolen: Vilnius, eine der größten Barockstädte Europas, Riga mit den eleganten Jugendstilfassaden oder das mittelalterlich geprägte Tallinn.  Die Hauptstadt von Estland liegt am Finnischen Meerbusen der Ostsee, nur 80 Kilometer südlich von Helsinki entfernt. Tallinn als bedeutender Ostsee-Fährhafen war schon immer das Fenster in die Welt nach Finnland oder Schweden. Im Sommer ist der Hafen voller Kreuzfahrtschiffe und die Stadt überfüllt mit Touristen. Eine kontrastreiche Stadt zwischen Wolkenkratzern und mittelalterlichen Kirchen. Gotischer Baustil, traditionelle Häuser aus Holz und Überbleibsel sowjetischer Baustile prägen die Stadt. Ein Drittel der Einwohner leben in den Satellitenbezirken, den sogenannten Schlafstätten am Rande der Stadt.                                                                                                                          Blau-schwarz-weiß ist die Fahne von Estland. „Blau wie der Himmel, der sich über das weite Land erhebt. Schwarz wie ihre Erde und weiß wie die Seele“ erklärt Regina Karuzienne lächelnd. Von dieser estnischen Seele spricht auch Vello Eensalu. Es war die Seele, das warme Gefühl seiner Wurzeln, als der gelernte Elektriker in Sako, etwa 30 Kilometer von Tallinn entfernt, den Hof seiner Eltern übernahm. Als die Sowchosen, vergleichbar mit den Volkseigenen Genossenschaften in der DDR, aufgelöst wurden, begann er mit 10 Kühen und 35 Hektar Weidefläche seine Viehzucht, heute hat er 180 Rinder und Milchkühe. Das Gehöft, das er von seinen Eltern erbte, ist 140 Jahre alt. Vello Eensalu verarbeitet heute Kuhmilch zu Käse, Joghurt, Quark, und Butter. Alles Bio-Produkte, die er in Tallin und Umgebung vermarktet, auf Märkten, in Restaurants, für den Großhandel und kleine Läden. Über mangelnde Abnehmer kann sich der Landwirt nicht beklagen.

 

Jugendstil und märchenhaft anmutende Holzhäuser

Fährt man von Estland weiter südlich, erstrecken sich vor dem Besucher weite Landschaften von sanfter Schönheit, ausgedehnte Wälder und Felder, und ein Himmel, der hier der Erde seine Hand reicht. In Lettland kann man stundenlang wandern oder mit dem Fahrrad fahren ohne einem Menschen zu begegnen. Die alten Holzkaten am Wegesrand erinnern an die Märchen der Kindheit. Kultureller Mittelpunkt des Landes ist Riga, die größte Stadt des Baltikums. Es heißt, jedes dritte Haus in der Altstadt sei ein Jugendstilbau. Viele der prächtigen Häuser in der Alberta iela und in einigen umliegenden Straßen wurden von dem Architekten Michail Eisenstein mit sehr dekorativen Details und ihren mythologischen Aussagen erschaffen. Mit anderen Metropolen des Jugendstils in Europa wie etwa Wien, Paris oder Budapest steht Riga ganz vorn. Grund genug, dass die lettländische Hauptadt 2014 Europäische Kulturhauptstadt werden wird!

         Straßencafés,  Restaurants, elegante Läden, Galerien und gestylten Frauen auf hohen Absätzen, das ist das heutige Stadtbild. Das Okkupationsmuseum am Rathausplatz, ein schwarzer Kastenbau, stellt die Zeit der deutschen und vor allem sowjetischen Besatzung und des lettischen Widerstands dar. Gleich nebenan die Hauptsehenswürdigkeit von Riga, das im gotischen Stil erbaute Schwarzhäupterhaus. Früher ein Treffpunkt für die Zunft lettischer Kaufleute, heute ein Ort kultureller Veranstaltungen. Der Dom Rigas ist die größte Kirche des Baltikums und bietet insgesamt 5000 Gläubigen Platz.

          Vilnius, die Hauptstadt der Republik Litauen, ist anders, kleiner, kiezig, katholisch, auch das "Rom des Nordens" genannt. In den winzigen Hinterhöfen der verwinkelten Altstadt, zwischen alten Klöstern, Kirchen, Kaufmannshäusern und dem prächtigen Universitätskomplex, lebt noch der Zauber der litauischen Vielvölkerstadt. Schon zu Zeiten des heidnischen Litauens entstand eine Kultur der religiösen Toleranz, die sich über Jahrhunderte erhielt. So ist nicht verwunderlich, dass Vilnius besonders durch die Vielzahl an Kirchen geprägt ist: litauisch römisch-katholische, polnisch römisch-katholische, russisch-orthodoxe,  protestantische Kirchen und eine einzige Synagoge. Zerstört wurde die jüdische Kultur von Vilnius im Zuge der deutschen Vernichtungspolitik, als die jüdische Bevölkerung Vilnius durch Erschießungen vor den Toren der Stadt und nach der Deportation in Konzentrationslager ermordet wurde.

 

Sand. Sand. Und Himmel

Die Ostseerepubliken sind längst kein touristischer Geheimtipp mehr. Seit dem EU-Beitritt entdecken immer mehr Urlauber das Baltikum. Dazu gehört auch die Kurische Nehrung, jene legendäre Halbinsel, von der schon Wilhelm von Humboldt schwärmte, „man müsse sie ebenso wie Italien oder Spanien gesehen haben, solle einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen?“                                                                                                     

         Die Kurische Nehrung mit mit ihrem windschiefen Wald, den Birken, Fichten und Sumpf, zählt zu den einzigartigsten und schönsten Küstenlandschaften Europas. "Der Landstreifen ist 96 Kilometer lang und so schmal, dass man ihn in 20 Minuten oder einer halben Stunde bequem vom Haff zur See überqueren kann", beschreibt Thomas Mann - einer der berühmtesten Feriengäste auf der Kurischen Nehrung - in seinem "Niddener Tagebuch" die Halbinsel.  

         Der wohl beliebteste Ort der Nehrung ist Nida. Bis zu 60 Meter hohen Dünen ziehen sich bis hin in den russischen Teil der Nehrung nach Kaliningrad (Königsberg). Samtig die Luft. Spiegelglatte See. Weiß und weich geschwungen die Küste. „Sand. Sand. Und Himmel“, beschrieb Thomas Mann die Kulisse, in der der Wind stetig feine Wellenlinien zeichnet.  An den Stränden spülte die Ostsee riesige Mengen an Bernstein. Am Wegesrand, auf Schritt und Tritt, wie auch in Galerien, lassen sich phantasievoll gestaltete Schmuckstücke aus Bernstein bewundern. Im strahlenden Blau hingegen, dem sogenannten Niddener Blau, das Zäune, Türen und Fenster schmückt, leuchten die alten Fischerhäuser. Die Fischersleute führten ein karges und schweres Leben. Über ihren einstigen Kurenkähnen ragten geschnitzte Wappen, die die jeweiligen Familiengeschichten erzählten, wo die Fischer herkamen, wie sie wohnten, ob sie verheiratet waren oder wie viel Kinder sie hatten. Vielleicht waren es auch diese alten Nidaer Fischerhäuser, die Thomas Mann so faszinierten und er sich entschloss, solch ein Haus bauen zu lassen. Von diesem Haus aus genoss er den sogenannten „Italienblick“, damals durch nur wenige  Kiefern hinunter aufs Haff, wo die Niddener Kurenkähne auf dem Wasser lagen.

          Mit einem solchen Kurenkahn fährt heute Kapitän Aurelijus seine Gäste auf das Kurische Haff. Der Niddener hatte den nachgebauten Kurenkahn in sehr marodem Zustand übernommen und ihn mit eigenen Mitteln restauriert. Früher fuhr er ein sowjetisches Rettungsschiff. Nach dem Umbruch wurde es nicht mehr gebraucht und auch nicht Aurelijus Armonavicius. Heute lebt er von den Gästen. Viel gelernt hat er über seine Heimat von den "Heimwehtouristen", Menschen, die auf den Spuren ihrer Wurzeln in das ehemalige Ostpreußen gereist kamen. Viele der älteren Besucher wurden hier geboren, suchten ihre Heimat oder die Heimat ihrer Eltern auf. „Allerdings werden es immer weniger und damit versiegen auch die alten Geschichten.“ Was bleibe, sei die einzigartige Natur, und deshalb wolle der Kapitän auch niemals weg von hier.