Armenien

Zwischen Ararat und Kaukasus: Armenien

          

   Land der ersten Christenheit mit großer Geschichte – weit, leer und sagen wir ruhig: rückständig. Kostbare Klöster aber, tiefgläubige Menschen, schroffe Gebirgszüge, köstliche Küche und der jahrtausendealte Weinbau sind eine Reise wert.

 

Text und Fotos: Katharina Büttel

 

            Etschmiadsin ist das religiöse Zentrum Armeniens. Hier soll Christus mit einem goldenen Hammer Grigor dem Erleuchteten den Platz für den Bau der ersten Kirche gewiesen haben. Die Klosteranlage ist Sitz des Katholikos, ist der „Vatikan“ der armenisch-apostolischen Kirche. Aus aller Welt pilgern Armenier hierher. Die Sakralbauten sind Meisterwerke armenischer Baukunst und Weltkulturerbe.

            Aus der Basilika der hl. Hripsime schwingt leise Chorgesang der Frauen und der in schwarzen Kutten verhüllten Mönche – der Katholikos feiert die Sonntagsmesse. Wandmalerei in gedeckten Farben, das Licht der Lüster, goldreflektiert, schaffen eine feierliche Lebendigkeit. Weihrauch durchwabert die Reihen der Gläubigen. Anstelle der Ikonostase hängt auf einer Bühne ein dunkelroter Samtvorhang.

             Armenien, hochgelegen in grandioser Bergwelt, uralte Kulturlandschaft, in die sich mehr als 5000 Baudenkmäler schmiegen, südlich vom Kaukasus zwischen Georgien, der Türkei und Aserbaidschan, ist nicht größer als Brandenburg. Seine 3000-jährige Geschichte füllt Bibliotheken.

             Die Hauptstadt Jerewan am Ufer des Hrazdan aus dem 8. Jh. v. Chr. ist eine der ältesten Städte der Welt. Der kleine orientalische Kern ist zu einer Millionenstadt mit betongrauen Satellitenvierteln angeschwollen. Von elf Millionen Armeniern weltweit leben nur drei im Mutterland, allein 1,4 Millionen hier. 

             Am Busfenster ziehen die Gesichter der Stadt vorbei: Zarenreich, Sowjetzeit, Moderne. In gutem Deutsch erzählt Reiseleiter Aram: „Von 1920 an war Jerewan sowjetisch. Der Architekt Tamanjan baute es komplett um. Was schön war, Kirchen und Moscheen, persische Bäder, die Festung, ersetzte er durch neoklassizistische Gebäude aus rosa Tuffstein. Die typischen Flachdachhütten mit wunderschönen Torbögen, großen Fenstern und hölzernen Balkonen findet man nur noch in Seitengassen und in der Abovjanstraße“.

               Am Abend ist die Stadt bunt und lebendig, voller Autos, rechts und links teure Designershops neonschrill erleuchtet. Der Maschtots-Boulevard erstrahlt in tausend Farben. Lau ist die Nacht, man trifft sich in den Straßencafés, Restaurants, Weinbars: junge Leute in schicken Klamotten mit ihren Kindern, die angesagte Künstlerszene, Männer und Frauen in Gruppen – wo Platz ist, wird der Nationalsport Schach gespielt. Ein Flair wie auf der Via Veneto in Rom. Getoppt wird der ganze Wahnsinn auf dem monumentalen Republiksplatz, dem Herzen der Stadt. Klassische Klänge im Rhythmus der ‚tanzenden Fontänen‘ im Springbrunnen vor der Gemäldegalerie wehen durch die Nacht. 

                  Dann seht er da im Morgenlicht, 5165 Meter hoch, schneebedeckt: der Ararat! „Nur 30 Kilometer sind es bis zu unserem heiligen Berg, an dem die Arche Noah strandete - seit dem Genozid von 1915 für uns unerreichbar hinter der türkischen Grenze“, bedauert Aram.

               Einsam am Fuße des Ararat das Kloster Chor Virap. Hier saß nach der Legende eingekerkert Grigor der Erleuchtete, bis sich König Trdat III. bekehren und taufen ließ. Der erhob - 79 Jahre vor Rom - im Jahre 301 das Christentum zur Staatsreligion. Die erste christliche Nation wurde gefestigt und vereint auch in gemeinsamer Schriftsprache, zu der Mönch Mesrop mit der Schaffung eines Alphabets um 404 und der Bibelübersetzung 433 den Grund legte.                 

                Einzigartig ist die Schnitz- und Steinmetzkunst im mittelalterlichen Felsenkloster Geghard oberhalb der Azat-Schlucht auf knapp 1800 Meter. Laut geht es hier an Wochenenden zu, es wimmelt von Händlern, Musikanten und Gläubigen. Täuflinge, Brautpaare, Opfertiere, alle wollen vom Priester gesegnet werden. Und bleibt doch ein Ort der Stille in den engen Mönchszellen tief im Berg und im Chorraum vor den Tier- und Wappenreliefs. Drinnen und außen stößt man auf gemeißelte Steinplatten, die aussehen wie bestickte Kissen. Um ihr Kreuz im Zentrum ranken sich Palme und Weinlaub, schnauben Löwe und Stier. Es sind Kreuzsteine, Chatschkare, Symbole armenischen Glaubens. Steinerne Geschichts- und Geschichtenbücher fürs Volk - manche sind Grabsteine, andere erzählen von Schlachten, unerwiderter Liebe oder sollen Unheil bannen. 35 000 gibt es im Land, Armenien ist steinreich!

            Nach dem Besuch des hellenistischen Mithras-Tempels an einer Basaltschlucht bei Garni, bewirtet uns in einem Dorf nah am Sewansee - zweitgrößter Hochgebirgssee der Welt – eine Familie armenisch gastfreundlich. Der lange Tisch ist mit Vorspeisen „beladen“: Salate aus blutroten Tomaten, gebratene Auberginen, Tolma, gefüllte Weinblätter, Lawasch, dies warme Fladenbrot, gefüllt mit würzigem Schafskäse. Zur Forelle aus dem See serviert man roten „Areni“, den ältesten Wein der Welt. Der Gastgeber spielt auf der Tuduk, der armenischen Flöte aus Aprikosenholz. Mit Melonen und einem Glas des hochgelobten Kognaks ‚Ararat‘ endet das Mahl. „Alles, was gut ist, heißt bei uns Ararat“, schmunzelt Aram.

            Bilberbuchblick auf 1900 Meter über den Sewansee, „Armeniens Meer“: himmelblau vor schneebedeckten Bergen. Auf der Klosterhalbinsel dicht an dicht drei Kirchen aus dem

 9. Jh. Harmonisch-schlicht die Architektur, unauffällig die Fassaden - im blauen Schimmer des Sees braucht’s kein Dekor! Prachtstück ist der Kreuzstein des Christus mit Mongolenaugen und langen Zöpfen.

            Eintönig fährt es sich zwischen kargen, farblosen Bergen. „Hinter dem Tunnel ist unsere Schweiz mit Laub- und Kieferwäldern“, verspricht Aram. Zum Lunch treffen wir eine Familie der Molokaner, spiritueller Christen russischer Abstammung, die ähnlich wie die „Amish People“ in den USA ein isoliertes, autarkes Leben führen. Aufgetischt sind gefüllte Teigtaschen, Borschtsch, Blinis, Tee aus dem Samovar.

            Die „Klösterstraße“ führt entlang der wilden Solaket-Schlucht durch die fast baumlose, kaukasische Nori-Region, eine offene Ebene mit Schafen, Kühen und Cannabis-Feldern. Auf den Hochplateaus entstanden zwischen dem 10. und 13. Jh. unzählige Klöster, in denen in abgeschiedener Ruhe auch die Geschichte des Landes aufgeschrieben wurde. Und, wie im ganzen Land, Kreuzkuppelkirchen mit Rundbögen über den Fenstern und einem Vorraum, dem Gavith. Kaum Wandmalereien, dafür umso reichere Reliefs in Stein.

             Wir sind am Ende der Welt. Bartgeier mit 2,80 Metern Spannweite kreisen über dem gewaltigen Debed-Canyon und über der Rauchsäule der Kupfermine. Wer die Klöster Haghbat und Akhtala erreichen möchte, muss zu Fuß einen steilen Geröllpfad hinauf.  Akhtala besticht mit Fresken aus dem 13. Jh., riesige Figuren auf knallblauem Fond - beste byzantinische Kunst weit weg von Byzanz.

              Mit „Kenaz“ prosten die Armenier zum Abschied. In Erinnerung bleibt das bunte, uralte, heilige Armenien.                                                                     

 

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Service zu Armenien

Anreise: Nonstop-Flüge nach Jerevan gibt es nicht. Mögliche Verbindungen sind mit Austrian Airlines ab Frankfurt/M. über Wien oder mit LOT über Warschau.

Veranstalter: Armenien kann man individuell bereisen, bequemer ist eine Pauschalreise, z.B. mit Marco Polo 11 Tage „Armenien-Georgien, Highlights zwischen Ararat und Kaukasus“ ab

1.349 Euro/Person. www.marco-polo-reisen.com oder eine 9-tätige Armenien-Rundreise bei Studiosus ab 1.625 Euro/Person; www.studiosus.com

Einreise: Kein Visum, aber ein Reisepass ist erforderlich, der noch fünf Monate über den Rückflug hinaus gültig sein muss.

Impfungen: Keine erforderlich

Reiseführer:

‚Armenien‘ – 468 Seiten,

im Trescher-Verlag für 21,95 Euro;

 

www.trescher-verlag.de