Burma

Wo Buddha und Business boomen

Myanmar öffnet nach 50 Jahren Diktatur vorsichtig seine Tore: Pulsierende Städte, verwunschene Landschaften, geheimnisvolle Heiligtümer – dieses tief spirituelle Land ist einer der aufregendsten Orte in Asien!

Text und Fotos: Katharina Büttel





         Abends verwandelt sich Yangon in ein magisches Traumgebilde. Über die breiten Boulevards und rund um die Sule-Pagode im Herzen der Stadt geistern die Scheinwerfer der Autoschlangen wie Irrlichter, knatternde Mopedhorden sind hier seit Jahren strikt verboten. Wunderschöne, teilweise aber heruntergekommene, britische Kolonialgebäude baden im Schein von Kugellampen. Straßen und Plätze sind Bühnen, auf denen gehandelt, gestritten, geruht wird. Besucher irren durch ein Labyrinth von Häusern und Menschen, nehmen das alles in Momentaufnahmen wahr. In der Altstadt dampfen Garküchen unter Neonröhren, der Rauch von Holzkohlefeuer liegt wie Nebel in den dunklen Gassen. Strahlend hell leuchtet über allem das Gold der illuminierten Shwedagon-Pagode, Wahrzeichen der Millionen-Metropole auf einem Hügel oberhalb der Stadt.

         Wenn es Nacht wird in Yangon, der ehemaligen Hauptstadt des ehemaligen Birma, herrscht eine merkwürdige Mischung aus Chaos und Stille, aus Geschäftigkeit und Lethargie - die perfekte Illusion der exotischen Fremde. Auf den ersten Blick erinnert nichts daran, dass das Land über fünf Jahrzehnte mit harter Hand diktatorisch geführt wurde, unter internationalen Sanktionen litt und so nie eine Chance hatte, sich wirtschaftlich und gesellschaftlich zu entwickeln. Seit der politischen Öffnung vor zwei Jahren hoffen die Menschen, mit dem neuen Regime und der Strahlkraft ihrer Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, aus Armut und Rückschrittlichkeit herauszukommen. Der Wandel wird auch als große Gelegenheit gesehen, die Umwelt Myanmars zu stabilisieren: Elefanten, Tiger und 1100 Vogelarten gilt es zu schützen. Alle müssen daran arbeiten, mahnt die „Lady", wie die Ikone der Freiheit mit dem Blumenschmuck im Haar - Zeichen der Zuversicht - vom Volk genannt wird. Die jungen Leute sind dazu bereit: „Das Wetter ändert sich" ist ihre Antwort auf die Wende, sie glauben an die Demokratie. Auch von der Regierung erwartet Suu Kyi, dass sie mit aller Kraft für die Zukunft arbeitet. Und sie hofft auf mehr Touristen. Fast 400.000 waren es letztes Jahr, in der kommenden Saison werden es spürbar mehr sein, weil man sich nun frei fühlt in dem Land, das wegen der langen Zeit der Abschottung vor allem in den Dörfern und ländlichen Gegenden noch angenehm untouristisch ist.

          „Deshalb sind Sie wohl hier, Mingalaba! Willkommen!", kommentiert lächelnd Frau Nang, studierte Archäologin und Gebeco-Reiseleiterin seit vielen Jahren. Mit ihr ist die kleine Gruppe zu den Highlights Burmas unterwegs, die sie nicht nur dschungelgrüne, mit weißgoldenen Pagoden und rotleuchtenden Tempeln gesprenkelte Bilderbuch-Landschaft sehen lässt. Man freut sich über Begegnungen mit sanften, heiteren, immer lächelnden Menschen, traditionell gewickelt in bunte oder karierte Longyis, die Sarongs der Burmesen.

         Am besten, man fahndet erst gar nicht nach Brüchen in der schönen Fassade des unterentwickelten Landes. Einfach einlassen, sich ganz fallen lassen, getrost baden in Schönheit und Harmonie – anders versteht man Myanmar nicht und nicht Bagan, die alte Königsstadt. Die lange Fahrt zum berühmten Tempelfeld führt mitten durch all die vielen Dörfer, Umgehungsstraßen gibt es noch nicht. Wir haben zum Glück einen Sitzplatz, die Burmesen müssen sich stehend in Jeeps und Bussen drängen, bevölkern mit Obst- und Gemüsekörben die Fahrzeugdächer.

         Bagan gehört neben Angkor in Kambodscha, Borobudur in Indonesien und Ayutthaya in Thailand zu den architektonischen Meisterleistungen Südostasiens. Läge es nicht so fern, im westlichen Zentralburma, Bagan wäre längst so geläufig – und überlaufen – wie Gizeh, Rom, Chichén Itzà oder Olympia.

         In einer weiten Trockensteppe aus rotem Sand stehen über 2000 Tempel, Tempelruinen, Pagoden, heilige Schreine und Stupas zwischen grasgrünen Büschen und gelbblühenden Akazienbäumen. Von den Königen des ersten Königreichs von Birma ab dem 11. Jahrhundert in einer Art religiösen Baufiebers zu Ehren Buddhas und zur Verbesserung ihres eigenen Karmas gebaut. Heute ist Bagan so etwas wie eine ständige – und einzigartige – Ausstellung buddhistischer Baukunst. Der wichtigste, der Ananda-Tempel mit vier großen Buddhas aus Gold, wurde in der Blütezeit um 1090 unter König Kyansitthas gebaut. Andere sind gefüllt mit bemalten Buddhas, Terrakottareliefs, filigranen Wandmalereien. Auf den 100 Jahre jüngeren Shwegugyi Tempel kraxeln die Touristen über steile Stufen hinauf. „Zum schönsten Sonnenuntergang", lächelt Nang. Recht hat sie. Der Blick über tausendundeins rot-gold-weiß leuchtende Tempelspitzen bis hinunter zum Ostufer des Ayeyarwady ist an Schönheit nicht zu übertreffen.

          Abseits der Tempel ist Bagan ein kleiner verträumter Marktflecken. Hier ist Stille im Alltag. Und Mönche und Novizen, die täglich nach Sonnenaufgang ihre Gebete singen, die dunkelroten Sanghas fest um den Körper zurren, ehe sie sich mit der schwarzglänzenden Bettelschale, der Thabeit, unterm Arm schweigend auf den Weg durchs Dorf machen und Essen für ihre täglich einzige Mahlzeit im Kloster sammeln. 400.000 sind es im ganzen Land, denen jeder mit Respekt und Demut begegnet. Auch Handwerker, Händler, Fischer und Bauern geben sich gelassen, manche freuen sich auf ein Mehr an Touristen zur Aufbesserung des Verdienstes. Auf den Märkten allerdings pulsiert buntes, burmesisches Leben. Frauen betreiben die Stände, verhandeln die Preise, verwalten die Kasse. Herrlich, dieser Mix aus Geräuschen, Farben und Düften. Ihre Gesichter und die der Kinder sind mit Tanaka verschönert, Make-up aus geriebener Sandelholzrinde und Wasser.

         Mandalay am breiten, großen Fluss ist die Stadt der Kultur und der religiösen Kunst: in der Arbeit der Steinmetze, Holzschnitzer, Goldschläger und -sticker, Schirmmacher lebt die königliche Vergangenheit weiter. Wie in den drei anderen ehemaligen Königsstädten, Sagaing mit über 700 Klöstern, Inwa und Amarapura, sieht man im Verkehrsgewusel auch Nonnen in lotosfarbenen Kutten, die statt Speisen Geld für ihre Klöster erbitten. Im Chaos der Autos, der hochbeladenen Mopeds mit Mensch und Vieh, der Rikschas und Moped-Taxis, der Garküchen ist unübersehbar: die Stadt boomt und man ist stolz auf die „letzte Hauptstadt des alten Birma".

        „Nutzen wir den Tag", meint Nang und bringt uns schon frühmorgens zum Maha Muni-Buddha, der mit einer zehn Zentimeter dicken, 227 Kilo schweren Blattgoldschicht überzogen ist. Angeklebt von gläubigen Buddhisten – und das sind 90 Prozent aller Burmesen. Weiter geht's zu den „727 Büchern Buddhas", eingemeißelt in weiße Marmortafeln in die Pagode Kuthodaw. Zeit für Lesung und Übersetzung haben wir nicht, schöner ist eine Bootsfahrt nach Mingun auf der „Road to Mandalay", dem Ayeyarwady, der Lebensader Burmas. Wir sehen Bambusflößer, Einsegelboote und Zebu-Ochsen, die am nahen Ufer Teakholzstämme an Land ziehen, am Ufer die Überreste der größten, nie fertiggestellten Pagode der Welt aus dem 18. Jahrhundert.

         Auf der Fahrt durch die ‚Schweiz' Myanmars berauschen wir uns an den Farben grüngelber Reisfelder, in denen Zebu-Ochsenkarren im Licht der Sonne ihre Bahnen ziehen.

Ziel ist der Inle-See südöstlich von Mandalay. An die 70.000 Menschen, die Inthra, leben hier in Häusern auf Pfählen neben Pagoden direkt über dem Wasser. Wir sehen Fischer, die mit einem Bein geschickt ihre Boote durch die schwimmenden Gärten rudern, in denen sie Tomaten, Knoblauch, Ingwer, Kohl, Auberginen sorgfältig bearbeiten. Noch winken sie freundlich, lassen sich fotografieren, versuchen kleine Gespräche. Ihr Dorfleben ist noch intakt, jeder hat seinen Platz - die Schmiede, die Seidenweber, die Fischer.

        Wir aber fliegen zurück nach Yangon. Der Kontrast ist ungeheuerlich. Aus der lauten Geschäftigkeit und dem rasenden Verkehr fliehen wir in die meditative Stille der Shwedagon-Pagode, der goldenen Pracht aus Pagoden und Pavillons, nach der sich Burmas Buddhisten ein Leben lang sehnen.

„Dies ist Burma", schrieb Rudyard Kipling. „Es ist anders als jeder Platz, den du kennst".

 

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Service zu „Myanmar"



Anreise: z.B. mit Singapore Airlines ab Frankfurt via Singapur, Weiterflug mit Silk Air bis Yangon (www.singapore-airlines.de). Ab November Direktflüge mit Condor (www.condor.com)

Veranstalter: z.B. Gebeco, 24118 Kiel, Tel. 0431/5 44 60 (www.gebeco.de), 12 Tage „Myanmar zum Kennenlernen" inkl. Zug zum Flug/2 Inlandsflüge, DZ/F in Yangon, Bagan, Mandalay, am Inle-See; vor Ort jeweils mit Bus und deutschsprachigen Reiseführern. Je nach Saison kostet die Reise ab 1.795 Euro/Pers. inkl. Gebeco Mehr-Wert-Leistungen, plus fakultative Ausflüge. Ohne internationalem Flug buchbar ab 925 Euro/DZ/F/Pers. Zusätzliche Bausteine wie Strandurlaub, Wanderungen oder andere Themen, auch Länder übergreifende Reisen, können ge- oder zugebucht werden.

Auf eigene Faust kann man jetzt auch durch Burma reisen. Nur: Züge gibt es wenige, Busse fahren zwar, aber noch gibt es kaum ausgebaute Straßen; Sprachkenntnisse sind über Land eher dürftig.

Reisezeit: Ganzjährig. Die beste Reisezeit ist von Ende Oktober bis März, dann liegen die Temperaturen um die 20 bis 30 Grad. Reisen in der Regenzeit (Juni-September) ist eine wunderbare Erfahrung. In vielen Landesteilen regnet es wenig, meistens abends - Bagan ist nahezu trocken – in Yangon und weiter südlich dagegen sehr viel mehr. Die Landschaft und die Reisfelder sind grün, es gibt nur wenige Touristen, die Preise sind niedriger. Leider sind die Strände aus Sicherheitsgründen geschlossen.

Visa: Vorab bei der Botschaft zu beantragen (25 €) oder über den Veranstalter; 28 Tage gültig, www.myanmarevisa.gov.mm; Botschaft: Thielallee 19, 14195 Berlin, Tel.: 030/2061570, www.botschaft-myanmar.de

Geld: Die Währung Kyat ist nur im Land erhältlich: 1 € = ca. 1100 Kyat. Am besten sind Dollar, Euro weniger, Kredit- und EC-Karten funktionieren selten. Achtung: unbedingt neue Banknoten mitführen! Mobilfunkkarten vor Ort für 40 Dollar zu kaufen; Internetcafés nur in größeren Orten.

Impfungen: Malariaprophylaxe empfehlenswert oder ein Standby-Medikament (z.B. Malarone); besser vor Abreise ein Tropeninstitut kontaktieren.

Reiseliteratur: „Myanmar" von Stefan Loose, 24,99 €, DuMont Reiseverlag; Roman „Der Glaspalast" von Amitav Ghosh, Karl Blessing Verlag, www.blessing-verlag.de; der Klassiker „Tage in Burma" von George Orwell, Diogenes-Verlag, www.diogenes.ch; „Burma – der Fluss der verlorenen Fußspuren", 18,90 €.

Info: „Burma" ist die englische Variante, „Birma" die eingedeutschte Version. „Myanmar" wurde 1989 von der Militärregierung festgelegt und von der Uno übernommen. Heute sind Burma und Myanmar gebräuchlich.